Liebe Freundin,

du hast mir auch einen Schweissausbruch verschafft. Kannst ja nix dafür… 🙂

Du hast wundervoll-tolleschöne Fotos von Eurem Urlaub eingestellt… wirklich… diese Farben und Du siehst gut aus… nicht ganz so richtig nach Sonne, Urlaub, Meer und Leben .. aber doch gut. Und ich erwische mich dabei, wie ich mich nicht freuen kann. Und schäme mich dafür – aber das ändert auch nichts.

Es geht mir nicht schlecht – meine Arbeit ist toll. Mit der Kollegin komme ich sehr gut klar. Ich verdiene in dem Job meine festen Kosten und nebenher habe ich ab und zu Aufträge –  wenn ich keine habe – wie diesen und letzten Monat, krebse ich sehr darum, aber ich hungere nicht mehr, wie noch vor einem Jahr. Leisten kann ich mir aber irgendwie auch nichts.

„Nichts“… was ist das? Ich habe Essen, ich kann es mir leisten, ab und zu ein Glas Wein oder ein Bier, manchmal sogar einen Whiskey zu genießen. Ich habe tolle Nachbarn, ohne die ich hier in der Bronx verloren wäre und oft nicht wüsste wie ich das mit dem Hund regeln soll. Ich habe meine Fern-Beziehung – aber immerhin Beziehung. Und zwar richtig schön und gut tuend. Wenn er hierher kommt, bleibt er sehr lange, kocht toll und erledigt viel für mich, was ich ohne Auto einfach nicht hin kriege.

Ich benötige Halb- und Turnschuhe. Die alten fleddern auseinander. Klamotten kann ich mir nur von der Nothilfe „leisten“. Ich habe 8 Unterhosen und 3 BHs. Meine gute Sonnenbrille ist letztens kaputt gegangen. Ich benötige unbedingt eine Gleitsichtbrille, eine Klobürste, einen Schuhlöffel und ein Bett, ein richtiges. Seit ich das komplette Schlafzimmer verkauft habe, um den Umzug von der Stadtmitte in die Bronx zu finanzieren, schlafe ich auf zwei übereinander gelegte Matratzen. Geht doch… das Aufstehen fällt mir noch nicht schwer… bin ja erst 51…. *haha*

UND ICH SCHREIBE DAS NICHT(!), um ein schlechtes Gewissen zu verbreiten. Um „Almosen“ zu empfangen oder um Dir zu sagen, dass es Dir besser geht und Du deswegen ein schlechtes Gewissen haben sollst. NEIN! Geht’s Dir denn besser nur weil Du einen Urlaub finanzieren kannst, den Du wahrscheinlich mindestens zur Hälfte von der einen oder der anderen Oma finanziert bekommen hast? Und wenn ja – WARUM VERAMMT NOCHMAL KANN ICH MICH FÜR EUCH NICHT FREUEN?! Hä?! Versteh ich nicht… Ich weiß es… ich weiß es verdammt nochmal wie schlecht es Euch geht – finanziell, gesundheitlich, job-mäßig und was alles dazu gehört. ICH WEISS ES! Und trotzdem kann ich mich nicht freuen. Ist das nicht schrecklich?!

Ich habe mir in den letzten Jahren angewöhnt frank und frei über meine Situation zu reden. Keine Hand vor den Mund zu nehmen. Nichts zu beschönigen – ehrlich zu sein. Es macht mir nichts aus. Ich schäme mich nicht. Es gibt immer mehr Menschen denen es so geht, die sich nichts leisten können, die arbeiten und arbeiten und wenn sie Urlaub haben von der einen Arbeit irgendwo anders Geld verdienen – so wie ich im Urlaub dolmetsche. Aber manchmal möchte ich gar nix mehr sagen, weil ich allen damit permanent ein schlechtes Gewissen mache. Ich hasse es. Ich erzähle von meiner Situation weil sie ist wie sie ist, wenn ich Geld oder Brot brauche sage ich das! „Die anderen“ sollen kein schlechtes Gewissen bekommen weil es ihnen (scheinbar?) besser geht – aber nachdenken über ihre Situation… mehr genießen, das was sie haben… das wär schön.

Manchmal habe ich einfach genug von den Menschen um mich herum, die es wirklich gut mit mir meinen, und aus einem schlechten Gewissen heraus mir Gutes tun. Schlechtes Gewissen weil es ihnen „gut“ geht. Besser geht wie mir. Besser als wie? Besser finanziell – aber das wissen wir doch schon seit Jahrhunderten, Geld macht doch gar nicht glücklich und schon gar nicht zufriedener… HA – HA – HA… dreimal laut gelacht. Vielleicht in Dichter- und Denkerkreisen oder in der Phantasie-Welt… aber nicht in unserer Gesellschaft.

Also… sag Du es mir… was ist das, dass ich mich nicht freuen kann über Eure Urlaubsfotos? Über Euren Urlaub?

Meine Therapeutin sagte mal, als ich erzählte, dass ich ein „Überlebens-Paket“ von einer ehemaligen Kollegin geschickt bekommen habe und es zwei Tage zugepackt stehen ließ, um es dann emotionslos zu öffnen, dass ich „emotional erschöpft“ sei. Soso… da ist was dran. Damals. Und heute? Immer noch? Oder ist es Neid?

Aggression ist es oft. Und Selbstverständlichkeit noch „öfterer“; aber das ist ein anderes Thema… für heute soll genug sein.

Lass Dich umarmen. Trotz alledem. ♥

27 Gedanken zu “Liebe Freundin,

  1. ein bedrückender eintrag. und trotzdem freue ich mich drüber, weil du einfach du bist und sagst was los ist und ich von dir lese. ich wünsche mir nun nur noch, dass du irgendwann zufriedener sein kannst. du hast ja schon ein paar sachen aufgezählt, für die sich zufriedensein lohnt. :-*

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  2. Drecksfunzfickfackfuckkacke ist das. Da ist jemand fleißig, geht arbeiten und alles und dennoch reicht die Kohle nicht. Wo leben wir denn? Ich finde das so Scheiße, ehrlich.
    Ich freu mich aber sehr, sehr, sehr, dass Du eine neue Beziehung hast … und ich freu mich auch, dass Du einen Eintrag wie diesen schreiben kannst, sehr ehrlich und ohne falsche Scham. ♥

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  3. Na toll – Nun bin hier hier am grübeln… super! *Spass* Nein, nicht über Dich. Oke ein wenig, aber eher über wieso man sich einfach nicht für andere freut oder wenn man sich freut für andere, warum man sich freut. Und wenn nicht, wieso dann nicht… Emotional erschöpft kann man sicher auch sein ganzes Leben lang sein und bleiben. Klar. Kein Ding. Neid, Unzufriedenheit, Agression? Mit Sicherheit auch! Kenn ich! Neid ist ja glaube ich ne Totsünde oder? Naja und wenn man weis, dass es eh nur ein sekundäres Gefühl ist, was ein anderes überdeckt. Meist eben dieses Unzufriedenheitsding, ja dann kann man daran zumindest was ändern und arbeiten. Neid ist mist 😦 Kenn diesen blöden Gedanken ab und an. Sorge dann wieder für Zufriedenheit und dann kann mich der blöde Nein mal gepflegt von hinten sehen! 😉
    Ich überlege dann mal weiter, wann ich mich das letzte Mal für andere gefreut habe… ich glaube gestern. Für eine Mutter mit ich glaube drei Kindern, der ich gestern einen Gewinn überreichen konnte. Das hatmich richtig mit gefreut. Vielleicht weil ich ihre Situation nachvollziehen kann. Hey bei dir schneit es ja jetzt auch? Toll! So muss das 😀 Bis bald!

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    1. neid ist mist. das stimmt. aber es gibt ihn. man ist doch immer auf irgendjemanden neidisch, weil wir menschen so verdammt blöde unzufrieden sind, egal wie gut es uns geht. oder? aber ab und zu glaube ich, dass mein neid auch eher aggressionen sind, die einfach raus müssen, damit sie draußen sind und ich sie los. *haha* und deswegen stehen sie hier und ich bin jetzt neidlos glücklich und zufrieden bis zum ende meiner tage… ähm… wechseljahre, wollt ich sagen. 😉

      ps. danke für den tollen langen kommi!

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      1. Keine Ahnung, ob das immer und bei jedem so ist. Ich kenne Personen, die von sich behaupten auf nichts und niemanden neidisch zu sein und wenn dann sind sie mit sich persönlich unzufrieden ohne dem anderen etwas zu neiden. Agressionen sind aber auch „nur“ sekundär. Die Unzufriedenheit ist immer das Primäre, ja. Ändere etwas daran und die Agression und der Neid gehen futsch. Ist sicher schwer. Ich finde es ist nichts schwerer, als seine Einstellung so anzupassen, dass alles „oooohm“ ist. LG Tanja

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      1. ICH WEIß NICHT WIE’S GEHT HAB KEI ZEIT! … aber ich bekomme Hülfe, wenn ich dann wille … von meiner Blog.de-Freundin der letzten Stunden. SO KLO!

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